Serie A 2016/17 – Alle gegen Juve

Serie A 2016/17 – Alle gegen Juve
22. August 2016 Pietro Tallarico

12'

Der unangefochtene Meister

Juventus Football Club

Ziel:
Die Vorherrschaft im italienischen Fußball zu behalten und gleichzeitig den Sieg in der Champions League ins Visier zu nehmen, indem man die größten nationalen Konkurrenten schwächt und selbst zu einer Dream-Team Auswahl des italienischen Fußballs aufsteigt (ähnlich der BestOfBundesliga-Taktik der Bayern).

Manager Beppe Marotta teilte selbst mit: „Durch unsere Einkäufe von Pjanic und Higuain sind Neapel und Rom schwächer.“

Zusätzlich zum besten Freistoß-Schützen der Serie A (bereits 11 in 150 Spielen gegenüber den 27 von Pirlo in 510 Spielen) und zum Torschützenkönig mit 36 Treffern in der letzten Saison (All Time Serie A – Rekord), kamen auch Dani Alves vom FC Barcelona und Mehdi Benatia vom FC Bayern München, sowie Kroatiens derzeit größtes Nachwuchstalent Marko Pjaca von Dinamo Zagreb hinzu.

 

Pjanic‘ Freistoß gegen Juve letzte Saison beim 2:1 Sieg des AS Rom

 

Erstmals seit dem Verkauf von Zidane im Jahr 2001 (umgerechnet ca. 73.5 Mio. €) ist Juventus Turin wieder einmal der lachende Verkäufer bei dem teuersten Transfer aller Zeiten (ca. 105 Mio. € für Paul Pogba). Laut Pressemitteilung entsprach der Transfer von Pogba einem Nettogewinn von 73 Mio. €, und das weil man den Spieler noch vor 3 Jahren ablösefrei (ja, richtig – ablösefrei!) von Manchester United (ja, richtig – der Verein der es sich dann doch wieder überlegt hat) zu sich holte. Zugleich sind sie für den teuersten Transfer der Serie A und den viertteuersten überhaupt verantwortlich. Higuain kam für eine Ablösesumme von ca. 90 Mio. € vom SSC Neapel.

 

Higuain’s Treffer gegen Juve letzte Saison beim 2:1 Sieg des SSC Neapel

 

Für Juventus Turin geht es in dieser Saison um alles: Den sechsten Meistertitel in Folge gewinnen, um damit den eigenen Rekord und den von Inter Mailand in den Schatten zu stellen. Vor allem aber steht das große Ziel Champions League an. Dieses Jahr werden als logische Konsequenz der fünf gewonnenen Meisterschaften in Folge und dem Champions League Finale vor zwei Jahren die Fühler nach dem Triple ausgestreckt und sogar nach möglichen vier Titeln mit dem italienischen Supercup gegen den AC Mailand im Dezember gegriffen.
Alles gewinnen um so die neue Juventus-Ära in die Konsekration zu führen.

 

Die Verfolger

Ziel:
Aufs Neue versuchen die Vorherrschaft von Juventus Turin aufzubrechen.

AS Roma

Die Mannschaft, welche wohl am ehesten den Status des Verfolgers in der Serie A innehat. War es vor einigen Jahren noch die Vorherrschaft Inter Mailands, welche man versuchte aufzubrechen, ist es nun bereits das sechste Jahr in Folge in der man der alten Dame hinterher rennt.

Natürlich macht der Abgang von Miralem Pjanic, dem in Ungnade gefallenen und kleinem Prinzen Roms, die Sache nicht einfacher, doch der Ersatz kommt direkt aus den eigenen Reihen ohne dafür Geld ausgeben zu müssen: Kevin Strootman, Kapitän der niederländischen Nationalmannschaft ist nach einer langwierigen Verletzung, welche sich fast komplett über die vergangenen zwei Saisons erstreckte, wieder ein fester Bestandteil in Roms Mittelfeld; und das hochgelobte argentinische Nachwuchstalent Leandro Paredes hat in seiner letzten Saison auf Leihbasis beim FC Empoli bewiesen bereit für einen Stammplatz bei den Giallorossi zu sein. Für einen starken Ersatz auf der Bank sorgt der junge 19 jährige Brasilianer Gerson, dessen Ablöse bereits im Januar auf einen Betrag von 16.6 Mio. € definiert wurde.

Somit wurde das Geld von Pjanic (ca. 32 Mio. €) für die Verstärkung Roms in die Schwachstelle der letzten Jahre investiert: die Abwehr.
Neu hinzu kamen der belgische Innenverteidiger Thomas Vermaelen vom FC Barcelona, der zweimalige Europa League Sieger Federico Fazio und Inter Mailands Juan Jesus. Für die Außenpositionen kamen der als Erbe Maicons bekannte Bruno Peres vom AC Turin auf rechts und der Portugiese Mário Rui vom FC Empoli auf links. Letzterer fällt jedoch für einige Monate wegen eines Kreuzbandrisses aus, ebenso der deutsche Nationalspieler Antonio Rüdiger. Beide werden aber im Laufe der Saison nach erfolgter Rehabilitation die Mannschaft zusätzlich verstärken und für einen tieferen Kader sorgen.

 

Bruno Peres‘ Treffer im Derby 2014/15 gegen…Juve. (Zu Redaktionsschluss war leider nicht bekannt warum Juventus sich diesen Spieler nicht geholt hat)

 

Alter und neuer Trainer Luciano Spalletti hat ein großes Ziel vor Augen: Seine offene Rechnung begleichen. Nach vier Jahren beim AS Rom und zwei gewonnenen Meisterschaften mit Zenit St. Petersburg, kehrte der Toskaner im Januar zurück, um sein Werk zu vollenden. Lo scudetto.
Mit Spalletti fuhr man zudem die bisher erfolgreichsten Ergebnisse in der heutigen Champions League ein, gewann zweimal den italienischen Pokal und einmal die Supercoppa. Dementsprechend wird man sich in Tottis Abschiedssaison mit dem zweiten Platz nicht zufrieden geben und schon gar nicht werden Francesco, Luciano und Rom dabei zusehen wollen wie Juventus einmal mehr italienische Fußballgeschichte schreibt.

SSC Napoli

Der Trubel in Neapel war groß als die ersten Gerüchte um einen Wechsel vom neapoletanischen Volkshelden Higuain, der sie in die Champions League schoss, die Runde machten. Dabei sollte El Pipita doch wie sein Landsmann Maradona Geschichte schreiben in der sagenumwobenen Stadt am Golf von Neapel. Doch wie so oft im Fußball kam alles anders. Der nun als Verräter verhasste argentinische Star schwor der Treue ab und wechselte zu dem umso mehr verhassten Feind Juventus Turin.

 

Abfalleimer Higuain

Die Einwohner Neapels machten ihrem Frust Luft: Hier ein Bild eines Abfalleimers mit dem Trikot Higuains (Foto: Gino Sorbillo via Facebook)

 

Ein kleiner Trost: Neapels Besitzer und Präsident AdL, Aurelio de Laurentiis, kennt das Prozedere bereits:

Verkaufe einen der besten Stürmer der Welt und ersetze ihn durch einen noch besseren.

Nach dem Abgang von Edinson Cavani zu PSG für unglaubliche 64.5 Mio. € (man bezahlte damals 12 Mio. € Ablöse an Palermo), ersetzte man ihn für 39 Mio. € durch Gonzalo Higuain von Real Madrid. Nun also, mit den Kassen voll Geld, holte man sich für 32 Mio. € das von ganz Europa gesuchte polnische Sturmtalent Arkadiusz Milik von Ajax Amsterdam und es würde niemanden wundern wenn Italiens bekanntester Kinoproduzent mit Milik seinen nächsten Coup landen würde. Die Voraussetzung hat der 22-jährige Polen-Star dafür alle mal. Zudem verstärkte man die bereits talentvolle Mannschaft punktuell mit dem zuletzt bei der Europameisterschaft stark aufspielenden Flügelspieler Giaccherini, genannt Giak, und einem weiteren polnischen Nachwuchstalent dem Mittelfeldspieler Piotr Zielinski von Udinese Calcio.

 

Einer der vielen Gründe warum Milik so begehrt ist

Auf Grund der Vielzahl seiner taktischen Konzepte gilt Maurizio Sarri als Guru der Standardsituationen und auch sonst ist das Trainer-Dasein seine Berufung, jedoch wird es nicht reichen die von Higuain hinterlassene große Lücke zu füllen. Dieses Jahr wird Champions League gespielt und wenn man dazu noch um die Meisterschaft spielen will, wird man an jedem kleinen Detail arbeiten und vielleicht nochmals in die Tasche/Kinokasse greifen müssen.

Die alljährliche Überraschung

ACF Fiorentina

Ziel:
Endlich mal Dritter werden und ein weiteres Mal überraschen.

Der von der Unternehmerfamilie Della Valle wirtschaftlich gut geführte Verein macht mit seinem vergleichsweise geringem Budget den italienischen Big Player jedes Jahr aufs Neue das Leben schwer. In den letzten 5 Saisons wurden sie dreimal Vierter und verpassten damit knapp die Teilnahme an der Champions League Qualifikation. Dennoch bleibt den beiden Haupteigentümern Diego und Andrea Della Valle angesichts der wachsenden Zahl an ausländischen Investoren im italienischen Fußball keine andere Wahl als auf den Ausbau der eigenen Jugend und den kontinuierlichen gesunden Wachstum des Vereins zu setzen.

Der portugiesische Trainer Paulo Sousa, früher als Mittelfeld-Stratege u.a. bei Juventus Turin und Borussia Dortmund aktiv, bestätige in der letzten Saison bereits die bisher erbrachten Erfolge beim FC Basel und führte die Fiorentina zum fünften Platz.
Große Transfers gab es bisher noch nicht, stattdessen setzt man auf zwei sogenannte figli d’arte – zwei Söhne zweier in Florenz legendärer Spieler: Federico Chiesa (18 Jahre), Sohn des ehemaligen italienischen Nationalspielers Enrico (in Florenz bejubelt für seine 34 Treffer in 59 Spielen), und Ianis Hagi (17 Jahre), Sohn des bekanntesten und wohl besten rumänischen Spielers bis heute, Gheorghe Hagi. Daneben hofft man auf das Talent vom argentinischen Neuzugang Hernán Toledo (20 Jahre).

 

Die Vereinsführung verstand es in den letzten Jahren immer einen offensiv agierenden Trainer für die Bank zu wählen. So auch Sousa. Sie haben weniger Mittel als die Konkurrenz sind aber umso schöner anzuschauen.

 

Mit der Rückkehr von Giuseppe Rossi kann man weiterhin auf eine solide Leistung in der kommenden Saison hoffen. Der dritte Platz wird jedoch ohne eine größere Investition unerreichbar, außer Rossi wird nach seinen vielen und langwierigen Verletzungen wieder das Phänomen, das er einmal war. Zu wünschen wäre es ihm und dem wohl sympathischsten Verein der letzten Jahre.

 

Die chinesischen Mailänder Klubs

 

Schon seit Längerem sind asiatische Investoren in der Mailänder Fußballwelt unterwegs. So stiegen im Juni dieses Jahres chinesische Unternehmer bei Inter Mailand ein, nachdem der indonesische Unternehmer Erick Thohir im November 2013 70% der Aktien an Inter Mailand übernahm und neuer Präsident wurde. Die Suning Holdings Group übernahm für ca. 270 Mio. € im Juni dieses Jahres 68,5 % der Anteile von Inter Mailand. Die restlichen 31% bleiben bis auf weiteres bei Thohir. Damit fällt der legendäre ehemalige Haupteigentümer und Präsident Massimo Moratti, unter dessen Führung in 19 Jahren 16 Trophäen gewonnen wurden, als Aktionär weg. Er übernimmt jedoch weiter eine Rolle als Berater.

Selber historischer Wandel steht auch dem AC Mailand bevor, bei dem Haupteigentümer Silvio Berlusconi kurz vor der Abgabe seines 30 Jahre lang geführten Vereins steht. In dieser Zeit holte der Klub 28 Trophäen. Für insgesamt 740 Mio. € gehen 99,93% des Klubs bis zum Jahresende in ein chinesisches Investoren-Konsortium über. Doch so richtig spendierfreudig was die Transfers angeht war bisher keiner der neuen chinesischen Investoren.

Ziel:
Endlich wieder vorne mitspielen.

AC Milan

Drei fundamentale Dinge sprechen dieses Jahr für den AC Mailand als Geheimfavorit für die oberen Plätze:

1. Mit einem vielversprechenden Trainer wie Vincenzo Montella hat der AC Mailand das erste Mal seit dem Abgang Allegris wieder alle taktischen Voraussetzungen den vierten Platz anzuvisieren und damit auch einen Blick auf die Champions League schweifen zu lassen.

2. Mit zwei der größten Talente des italienischen Fußballs und der wenigen, die Serie A – Erfahrung mitbringen, kann sich die Mannschaft im Laufe der Saison schnell steigern. Alessio Romagnoli, wechselte vor einem Jahr mit seinen 20 Jahren für 25 Mio. € vom AS Rom und dirigiert seitdem die Innenverteidigung. Er wird auf Grund seiner Spielweise und seiner Technik oft mit Alessandro Nesta verglichen. Gianluigi Donnarumma,  der nicht nur seines Vornamen wegen, sondern auch auf Grund seiner 30 Ligaspielen und seinem Debüt mit 16 Jahren in der vergangenen Saison, bereits als neuer Buffon gehandelt wird, hütet das Tor auf eindrucksvolle Art und Weise. Auch das 21-jährige französische Riesentalent M’Baye Niang könnte unter Montella endlich zu dem aufblühen, was man von ihm erwartet: Ein Topstürmer der Serie A zu werden mit einer zweistelligen Torstatistik.

 

Der alte und vermeintlich neue Buffon tauschen hier Trikots – Gigi Buffon bestreitete zum Zeitpunkt Donnarumma’s Geburt (’99) bereits seine vierte Serie A – Saison

 

3. Mit einem rundum erneuerten Management kommt es zu der von den Fans herbeigesehnten Umstrukturierung. Die alten Männer an der Spitze, Berlusconi und Galliani, die für soviele Erfolge in der Vergangenheit verantwortlich waren, haben in den vergangenen Jahren durch ihre schlechte Transferpolitik und den unerklärlichen Rausschmiss Allegris maßgeblich zur desaströsen Situation des Traditionsvereins beigetragen.

Montella ist das Nachwuchstalent der italienischen Trainer-Riege und reif genug, um einen legendären italienischen Verein zu führen. Auch wenn er eine Mannschaft in die Hand genommen hat, welche weit von den Erfolgen seiner Fiorentina entfernt ist und mit der er in drei von drei Jahren den vierten Platz erreicht hat, ist der Druck einen Verein wie den AC Mailand zu führen nur etwas für Trainer des Kalibers eines Ancelottis oder Allegris. Der Sprung in die Champions League könnte für Montella dieses Jahr Wirklichkeit werden und würde ihn in den Olymp italienischer Trainerkunst heben.

FC Internazionale Milano

Das Chaos während der Vorbereitung durch Trainer- und Investorenwechsel ist nicht sonderlich vielversprechend für einen positiven Verlauf in der diesjährigen Saison. Knapp zwei Wochen vor dem ersten Spieltag haben Roberto Mancini und Präsident Erick Thohir auf Grund von Differenzen (vermutlich mit den neuen Investoren, welche orbitante Zielsetzungen für die kommenden Jahre haben) seinen Cheftrainer-Vertrag aufgelöst. In den italienischen Medien galt bereits Erick Thohir als reich aber ahnungslos, so auch die neu eingestiegenen Chinesen, denen man bereits nach kurzer Zeit mangelndes Fußballwissen vorgeworfen hat.

Nach einem ordentlichen vierten Platz des sich in einer Transitionsphase befindenden Vereins, hat man sich entschieden die Strukturen weiter zu verändern. Ob das der richtige Weg ist, ist stark zu bezweifeln, zumal der bisherige Trainer Mancini die vergangenen 20 Monate darauf hingearbeitet hatte ein Fundament für die diesjährige Saison aufzubauen. Nun liegt es an dem vergleichsweise unerfahrenen Trainer Frank de Boer von Ajax Amsterdam diese Arbeit fortzusetzen. Bekannt für seine außerordentliche Führung junger Spieler (siehe Milik) und seine stundenlangen Video-Taktik-Schulungen könnte er mit der Hilfe von den beiden herausragenden Sturmakteuren Icardi und Jovetic zumindest den Erfolg des letzten Jahres wiederholen.

Das angegebene Ziel Champions League scheint angesichts der Konkurrenz schwer erreichbar. Hierbei ist zudem zu erwähnen, dass Trainer, welche bis dahin keine Serie A – Erfahrung aufzuweisen hatten, oft kläglich gescheitert sind (kurioserweise passierte dies Inter selbst, als man Rafa Benitez von Liverpool holte. Eine der wenigen Ausnahmen dieser Regel bildete ein Jahr zuvor Mourinho, ebenfalls bei Inter). Gründe dafür sind sicherlich das hohe taktische Niveau und der immense Druck von Fans und Presse.
Nennenswerte Transfers sind der Zugang des erfahrenen Nationalspielers Italiens Antonio Candreva von Lazio Rom und dem zweifachen Europa League Siegers und argentinischem Nationalspieler Éver Banega vom FC Sevilla.

Mehr als auf das Erreichen der Champions League, sollte man sich dieses Jahr darauf konzentrieren die Europa League zu erreichen und die Transition zurück zu den Top-Klubs Europas auf realistischem Wege zu verfolgen. Zwar könnte ein Sieg der Europa League (sofern man diese für die Meisterschaft nicht vorhat aufzuopfern) helfen in die Champions League zu kommen, aber auch dies erscheint wenn man beachtet, dass ein Star-Ensemble wie Manchester United teilnimmt, schwer, wenn nicht sogar unmöglich machbar.

 

(Anmerkung der Redaktion: Nach Veröffentlichung des Artikels wechselte Giuseppe Rossi, kurz vor Ende der Transfermarktperiode, auf Leihbasis zu Celta Vigo.)

Versucht Italiens Fußballkultur in Worte zu fassen.