Der Start in eine fragwürdige Europameisterschaft

Der Start in eine fragwürdige Europameisterschaft
9. Juni 2016 Lars Ludolph

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Spätestens als Franz Beckenbauer die Entscheidung zur Aufstockung der Europameisterschaft von 16 auf 24 Nationalmannschaften vor acht Jahre mit den Worten „Es sprechen einige Gründe dafür. Und die EM wird durch die Erweiterung nicht an Qualität verlieren“ kommentierte,  hätten auch beim letzten die Alarmglocken schrillen sollen. Nicht, weil die Glaubwürdigkeit des wohl korruptesten deutschen Fußballfunktionärs sich mittlerweile auf Walter Ulbricht Niveau eingependelt hat („Niemand hat die Absicht…“); die Worte, die der Kaiser von sich gab, waren nicht seine eigenen. Es waren die des damaligen Präsidenten der UEFA, Michel François Platini – einer der wenigen Funktionäre des Weltfußballs, die sogar der FIFA Ethikkommission suspekt erschienen. 2015 wurde er für acht Jahre von allen Tätigkeiten im Fußballbereich ausgeschlossen.

Nun sollte man nicht den Fehler begehen a-posteriori Wahrscheinlichkeiten falsch zu berechnen – nur weil Franz beim Duft von Geld gern auch mal fünf grade sein lässt, bedeutet dies nicht, dass Platinis Entscheidung grundsätzlich falsch sein muss. Es sollte allerdings dazu anregen, die Aufstockung grundsätzlich zu hinterfragen.

Zwei Dinge scheinen offensichtlich. Zusätzliche gespielte Partien führen zu Mehreinnahmen aus Vermarktung, TV-Geldern, Sponsoring, sowie Tourismus im Austragungsort. Das vergrößerte Teilnehmerfeld erhöht das Interesse in den Nationen, die sonst üblicherweise in der Qualifikationsrunde scheitern. Aus Sicht der UEFA sind die Kosten überschaubar: Fans aus etablierten Nationen werden schlimmstenfalls genervt reagieren und auf die absurdesten Paarungen alla Ungarn gegen Island verzichten. Möglicherweise könnte auch ein allgemeiner EM Verdruss langfristig zu weniger öffentlichen Veranstaltungen und Einschaltquoten führen – die über das letzte Jahrzehnt in die Höhe geschossene Anzahl an „Event Fans“ dürften der im Durschnitt gefallenen Qualität an Gegnern allerdings eher neutral gegenüberstehen.

Es kann also insgesamt davon ausgegangen werden, dass die acht zusätzlichen Länder die aufgeführten potentiellen Verluste zumindest ausgleichen. Aus dieser Sicht ist die Entscheidung der UEFA – positiv ausgedrückt – rational auf geschäftlicher Ebene.

Auf der anderen Seite dürfte klar sein, dass die Binsenweisheit „die Europameisterschaft ist schwerer zu gewinnen, als die Weltmeisterschaft“ nun ad absurdum geführt wurde. De facto wurde eine zweite Qualifikationsrunde ohne die unbedeutendsten Fußballnationen geschaffen (hallo, Holland). Das System, dass auch den vier besten Drittplatzierten das Weiterkommen erlaubt, wird wohl erst im Viertelfinale zu attraktiven Paarungen führen.

Leiden werden nur jene Fans, die bei großen Turnieren mit nahezu religiösem Eifer alle Partien verfolgen wollen. Der Rest der Fußballwelt wird auf die späteren Spielrunden warten.

(Beitragsbild: Wikipedia/H4stings, CC BY-SA 4.0)