Der wilde Westen des Sports

Der wilde Westen des Sports
1. Oktober 2016 Timbolt

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Warum immer mehr Vereine in den E-Sports investieren

 

Schalke machte den ersten Schritt, andere folgen nun. Der elektronische Sport wird immer beliebter bei traditionellen Sportvereinen und Akteuren. Die Königsblauen beschäftigen seit einigen Monaten ein professionelles League of Legends (LoL) Team, welches versucht sich mit den besten Europas zu messen. Der VFL Wolfsburg besitzt ein FIFA Team und Basketballgrößen wie Shaquille O’Neal und Rick Fox sind schon etwas länger dabei. Laut einem Bericht der Wirtschaftswoche erwägen acht weitere Fußball-Bundesligisten den Einstieg. Außerhalb Deutschlands erregten sowohl die Philadelphia 76ers, deren Besitzer den E-Sports als wilden Westen des Sports bezeichnet, als auch Paris-Saint-Germain in den letzten Tagen Aufsehen — auch sie sind nun Teil der E-Sports Szene.

Warum das plötzliche Interesse des großen Geldes? Was macht den Bereich so attraktiv? Was erhoffen sich die Vereine? Wo liegt das Potential? Das sind Fragen, die ich im Folgenden genauer untersuchen will, um dem traditionellen Sportfan einen Einblick in diese Welt zu geben. Ich betreibe selbst eine League of Legends Website und werde mich deshalb auf dieses Spiel konzentrieren. Es ist das mit Abstand größte und erfolgreichste und sicherlich verantwortlich für einen großen Teil des Investorenschubs der letzten Monate.

 

Masse

Vor kurzem wurde bekannt, dass inzwischen über 1% der Weltbevökerung mindestens ein mal im Monat LoL spielt. Riot Games, die Entwickler des Spiels, schätzen die Zahl auf ca. 100 Millionen. Das Wichtige: der Erfolg zeigt sich auch bei den Übertragungen der professionellen Spiele auf Twitch.tv, Youtube und teilweise im Fernsehen, dem Bereich also, mit dem Bundesliga-, NBA- und andere Teams im traditionellen Sport ihre Einnahmen generieren. Während der letzten LoL Weltmeisterschaft im Herbst 2015 wurden über den Zeitraum von vier Wochen insgesamt 360 Millionen Stunden live zugeschaut. Pro Spiel schalteten dabei im Durchschnitt 4.2 Millionen Menschen ein. Beim Finale waren 36 Millionen über die verschiedenen Kanäle, welche in Ländern wie Korea auch das normale Fernsehen beinhalten, mindestens einmal dabei. Der höchste Wert an gleichzeitigen Views lag bei 14 Millionen. Zahlen, von denen so manche Sportart nur träumen kann.

Es stimmt zwar, dass die Weltmeisterschaften ein ganz besonderes Ereignis sind und ansonsten weniger Zuschauer vor dem Bildschirm sitzen. Dennoch verzeichnen allein die vier Top-Ligen in Korea, China, Europa und Nordamerika unter der Saison Hunderttausende Zuschauer pro Spiel. Es ist weiterhin anzunehmen, dass die Zahlen für die chinesische Liga allein die Millionenmarke überschreiten, doch leider liegen vom chinesischen Markt keine Daten vor. Professionelle Spieler verdienen inzwischen immer mehr Geld und können schon seit einiger Zeit davon leben – dies ist abhängig von verschiedenen Faktoren. Mittlerweile ist davon auszugehen, dass das Gehalt einiger Spieler im sechsstelligen Bereich liegt.

 

Potential

In Anbetracht der Zahlen aus dem letzten Abschnitt, wird relativ schnell klar, warum Investoren und Sportvereine aufmerksam werden. League of Legends ist der Vorreiter, welcher durch gezielte Investitionen in den E-Sports, sowie herausragende Produktionen ein Produkt geschaffen hat, das bis vor Kurzem seines Gleichen suchte. Selbst wenn die Zuschauerzahlen nicht weiterwachsen, besteht hier das Potential langfristig junge Leute an sich zu binden und über traditionelle Wege, wie Werbung und Merchandising, Geld zu verdienen. Des Weiteren ist es ein Vorteil, sich früh im Markt zu positionieren um sich einen Namen aufzubauen, welcher dann hoffentlich über ein einziges Spiel hinaus bestehen bleibt.

Der Markt bietet großen Marken wie Schalke und PSG die Möglichkeit Zielgruppen zu erreichen, an die sie sonst schwer herantreten können und diesen möglicherweise auch ihr Hauptgeschäft — Fußball — näher zu bringen. Bedenkt man, dass der asiatische Absatzmarkt seit langer Zeit ein wichtiger Teil der Einnahmen von Teams wie Manchester United oder Real Madrid darstellt, so ist es sicherlich keine schlechte Idee in einem frühen Stadium Präsenz in einem Bereich zu zeigen, welcher im asiatischen Raum sehr beliebt ist. All das zieht noch nicht einmal in Betracht, dass E-Sports von vielen noch fälschlicherweise als Nischensport voller Nerds angesehen wird. Der Eintritt von Traditionsteams wie Schalke oder den 76ers sollte einiges dafür tun, mit dieser Vorstellung aufzuräumen und den Markt weiter zu öffnen.

Ein Nachteil des E-Sports gegenüber traditionellem Sport ist jedoch die fehlende regionale Bindung. Spieler sitzen entweder zu Hause vor ihrem Computer oder wohnen zusammen mit allen anderen Teams der selben Liga in der selben Stadt. Während sich ein Fan des VFL Osnabrück die Spiele der 3. Bundesliga anschaut, weil er eine regionale Bindung zum Team hat, gibt es wenige Gründe, Teams der unteren Ligen im E-sports zu verfolgen, wenn man doch die Besten der Besten täglich vor den Bildschirm bekommen kann. Hier können Teams wie Schalke es vielleicht schaffen, dieses Verhältnis zu brechen, indem sie, zusätzlich zur Kraft ihres Vereinsnamens, eine klare regionale Identität mit sich bringen. Dies könnte eine Möglichkeit darstellen, die großen Disparitäten zwischen professionellen, halb-professionellen und Amateurligen zu verringern. Momentan ist der Abstieg aus der europäischen oder nordamerikanischen Liga für viele Teams das Ende, da von jetzt auf gleich jegliche Einkommensströme zusammenbrechen.

 

 

Herausforderungen der Szene

Obwohl sich die Szene nun seit einiger Zeit immer weiter entwickelt und teilweise Übertragungen auf Produktionsniveau der Bundesliga bieten kann, zeigt insbesondere der Bereich League of Legends mit seiner speziellen Struktur, in welcher der Entwickler gleichzeitig der Herausgeber und Leiter der professionellen Ligen ist, dass noch einiges zu tun ist. Durch die Investoren und daraus folgenden steigenden Spielergehältern ist das Unterhalten eines LoL Teams inzwischen teuer. Viele Teams machen im Moment Verluste. Neueinsteiger bauen auf eine schnelle Entwicklung und Profit in den nächsten Jahren. Machen traditionelle Sportmannschaften ihr Geld hauptsächlich mit Einnahmen aus dem Verkauf von Übertragungsrechten, so sind Teams im E-sports hauptsächlich durch Sponsorengelder – und in League of Legends durch Zuschüsse des Entwicklers – finanziert.

Riot Games selbst tut bisher wenig um durch Werbung die Einnahmen der LoL Übertragungen zu steigern und nutzt die Aufmerksamkeit eher zur Vermarktung des eigenen Spiels. Damit Teams sich nachhaltig im Markt platzieren können, muss langfristig ein System eingeführt werden, welches sie an Übertragungseinnahmen beteiligt. In Anbetracht der vielen Marktneueinsteiger lässt sich vermuten, dass sich die Besitzer und Investoren diesbezüglich viel erhoffen und wahrscheinlich schon seit Längerem mit den Betreibern der Ligen (speziell Riot Games) diesbezüglich in Verbindung stehen. Ein Vorteil der großen professionellen Sportteams wie Schalke, ist die schon bestehende Finanzkraft. Im Vergleich zum Fußball sind die Summen noch relativ gering und Nichtgelingen stellt kein großes finanzielles Risiko dar.

Wie es weitergeht, ist schwer zu sagen. Trotz des Potentials und der Möglichkeiten gibt es einige Hürden zu überwinden. Insgesamt hat der E-Sports — und im Moment speziell League of Legends und Counter-Strike: Global Offensive — jedoch die Masse an Spielern und Zuschauern sowie das Wachstumspotential, um auf Dauer eine nachhaltige Präsenz in der Szene zu gewährleisten.

 

Beitragsbild mit freundlicher Genehmigung von Riot Games

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