Basketballjournalismus in Deutschland

Basketballjournalismus in Deutschland
19. Februar 2017 Paul Ludolph

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Unser Autor hat sich als Journalist in der deutschen Basketballszene mal umgesehen. Ein Erfahrungsbericht.


Berlin, Mercedes-Benz Arena.

 

Es sollte eigentlich das erste große Highlight des Jahres für jeden deutschen Basketballfan sein, das Pokal-Top4. Der Wettbewerb der Außenseiter, die einfachste Gelegenheit einen Titel zu gewinnen oder einfach nur ein kleines Basketballfest zur Überbrückung des February Blues. Weit entfernt von der Euphorie des Saisonstarts im Oktober und der Spannung der Playoffs im Mai. Soweit die Theorie.

Ich habe die schöne Möglichkeit dem ganzen Event per Presseakkreditierung beiwohnen zu können. Das heißt, freier Zugang zum Presseraum, wo Mettbrötchen und Reis mit Hühnchen serviert werden. Außerdem Zugang zu den Pressekonferenzen und ein Arbeitsplatz in der Nähe des Spielfeldrandes neben anderen Reporterkollegen.

Als ich mich am Samstagnachmittag eine halbe Stunde vor Spielbeginn das erste Mal an meinem „Arbeitsplatz“ einfinde, begrüße ich meinen Nachbarn per Kopfnicken. Dieser ist allerdings mit der Lektüre der Transferpolitik von Juventus Turin im Kicker beschäftigt und hat im Moment leider keine Zeit für mich. Dass dieser „Basketballenthusiast“ sich lange auf den Klassiker Alba Berlin – Bayern München gefreut hat, wird spätestens klar, als er alle 30 Sekunden hektisch den Zwischenstand der zeitgleich 15 km entfernt stattfindenden Partie Hertha gegen Bayern checkt. Parallel korrespondiert er mit drei Kollegen, die sich offensichtlich im Stadion befinden. Da hat wohl jemand am Freitag bei der Redaktionskonferenz das kürzeste Streichholz gezogen. Arme Sau.

Der Punkt ist, in meinen zwei Tagen als „deutscher Basketballjournalist“ habe ich im Pressebereich so viel Enthusiasmus verspürt wie Hillary Clinton während der Vereidigung des 45. Präsidenten der Vereinigten Staaten.
Ich habe Pressekonferenzen mit den vermutlich schillerndsten und interessantesten Trainern Deutschlands besucht und es wurden keine Fragen gestellt. Niemand wollte wissen, wie man sich auf die einzelnen Stärken und Schwächen des Gegners vorbereitet hatte und wie dieser Plan aufgegangen war. Niemand wollte wissen, was für eine Bedeutung die Coaches diesem Spiel für den weiteren Saisonverlauf geben oder wie sie die Leistung einordnen. Niemand wollte wissen, warum welcher Spieler in welcher Rolle eingesetzt wurde. Verdammt, es wollte nicht mal jemand wissen, was mit dem verletzten Janis Strelnieks passiert war.

Ich habe in zwei Tagen, in denen ich mich, auf Grund der bereits angesprochenen Mettbrötchen, regelmäßig im Pressebereich aufgehalten habe vielleicht ein oder zwei interessante (und dann extrem kurze) Diskussionen über Basketball gehört. Dabei gibt es so viele interessante Fragen: Ist Bayern wieder auf Augenhöhe mit Bamberg? Setzt sich der Abwärtstrend von Alba fort? Ist der deutsche Basketball auf einem guten Weg? Und wenn ja, warum ist die Halle halb leer? Was geht bei der Nationalmannschaft bei der Europameisterschaft im Sommer?

Meistens waren die Multiplikatoren des Trendsports Basketball allerdings zu sehr damit beschäftigt die im Presseraum laufende Fußballbundesligakonferenz, die Zusammenfassung des Bundesligaspieltages, die Vorberichte auf das Samstagabendspiel, das Samstagabendspiel oder die Zweitligakonferenz zu gucken.

Ob der als Special Guest angekündigte, aber der Fußpresse (lies: weder ProSieben noch Telekombasketball) auf eigenen Wunsch leider nicht zur Verfügung stehende Dennis Schröder diese Agonie hätte durchbrechen können, lässt sich zumindest in Frage stellen.

Eine Liga die das Ziel formuliert hat im Jahre 2020 die besten Europas zu sein, braucht auch die kritischsten, interessiertesten und unterhaltsamsten Journalisten Europas um den Bekanntheitsgrad dieser faszinierenden Sportart zu steigern und nicht weiterhin in Bamberg, Ulm, Bayreuth & Co als Lokalattraktion vor sich hin zu vegetieren.

Vielleicht waren Sie auf dem Allstar Day der NBA in New Orleans. Vielleicht waren Sie an diesem Wochenende in Berlin. Ich habe Sie allerdings leider nicht gesehen.

 

(BEITRAGSBILD: Paul Ludolph)